Endlich kündigt sich das Ende des Aufschwungs an –
Und die Deutschen können nun auch endlich die Zukunft gestalten ...
(Lesedauer ca. 8-9 Minuten)
Schon so manches Mal habe ich mir aus unternehmerischer Sicht gewünscht, ich wäre in den USA geboren worden. Nicht wegen Tesla oder dem Silicon Valley, nicht wegen New York oder L.A., sondern wegen der Grundhaltung im Unternehmertum.
Eine Geschichte hat mich als Kind schon begeistert...
Ein Amerikaner und ein Deutscher erhalten beide gleich viel Bauklötze und sollen ein Bauwerk erschaffen. Der Deutsche geht zuerst in die Planung. Er macht eine perfekte Skizze und setzt alle notwendigen Bausteine in die richtige Reihenfolge bevor er beginnt, einen Turm zu bauen. Fertiggestellt bewundert der Deutsche den erbauten Turm und lässt diesen stehen.
Der Amerikaner macht eine kurze Bestandsaufnahmen, überlegt kurz was er bauen kann und beginnt. Kurz nachdem das Bauwerk fertig ist, der Amerikaner sich kurz an diesem erfreut hat, fällt ihm noch weitere Möglichkeiten ein. Er bringt das Werk zum Einstürzen und baut ein neues.
Die Mentalität der Deutschen ist eher planend, bauend und bewahrend für die Ewigkeit. Es wird sich ausgiebig darüber Gedanken gemacht, was entstehen soll. Risikoanalysen und Erfolgschancen werden geprüft und die Frage gestellt, ob die eigenen Kompetenzen und Stärken zum Ziel passen. Bringt das Ergebnis auch wirklich soviel Nutzen oder ist die Gefahr eines Scheiterns zu groß?
Deutsche sehen das unmittelbare Ziel und Ergebnis und haben eher wenig Vertrauen darin, dass es darüber hinaus zum großen Durchbruch oder/und zu etwas Größerem führen kann. Hat man erst einmal als Deutscher einen Weg eingeschlagen, wird dieser stringent bis stur gegangen. Auch wenn es zwischendurch andere und scheinbar bessere Wege geben mag, die eingeschlagene Richtung wird nicht verlassen. Wenn dieser Weg mit Erfolg – unabhängig ob groß oder klein – gekrönt ist, geht es genauso wie bisher weiter.
Erfolge und „es geht doch so“-Situationen lassen die Deutschen in eine „Weiter-so-Haltung“ übergehen. Keine oder nur eingeschränkte Gedanken an Weiterentwicklungen sind Teil in Unternehmen. Vielmehr wird der Fokus auf die Optimierung bis zur Perfektion gelegt.
Doch ist dies immer so gut? Kann man damit die Zukunft gestalten?
In Zeiten da sich die Welt so schnell und agil verändert, kann das Erfolgreiche von gestern der Tot von Morgen sein. Und genau das haben weder die deutschen Politiker noch so manch deutscher Unternehmer und auch Arbeitskraft verstanden. Vielmehr gibt man sich der Illusion hin, solange es doch läuft, kann man beim und mit dem Bestehenden verweilen. Ein fataler Trugschluss, der sich hoffentlich nicht als Ende einstellen wird.
Die Deutschen sind prädestiniert dafür, sich erst dann wirklich zu bewegen, wenn sie mit dem Rücken an der Wand stehen. Aber wäre es nicht viel besser, aus der Komfortzone ausprobieren zu können. Sich verschiedene Optionen zu erarbeiten und sich dann bewusst für die Beste zu entscheiden?
Nein, nicht so bei uns Deutschen. Wir begründen das Festhalten an Bestehendem lieber damit, dass es doch super läuft – auch wenn erste Boten das Ende der erfolgreichen Zeit ankündigen. Und genau da sind die Amerikaner uns voraus. Sie sehen die Chancen des Zukünftigen vor sich. Manchmal kommt man nicht direkt dahin und muss einen Zwischenschritt einlegen. Manchmal fällt man auch hin, doch man hat stets das große Ziel im Blick. Und nicht nur das, der Weg dahin wird von Ideen begleitet, von Ergänzungen geprägt und von der Gewissheit bestärkt, beim Aufbau etwas ganz Besonderem ein Teil zu sein.
Man spürt die Begeisterung für das Neue, die Neugier für das Ideentum und das Vertrauen, selbst wenn es schief gehen sollte, ergibt sich eine neue Chance.
Die Deutschen hingegen müssen erst die Abwärtsspirale spüren, um ihre Komfortzone zu verlassen. Und dies ist für Unternehmen wie für den einzelnen Mitarbeiter extrem gefährlich. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, kann ein Fehler der Todesstoß sein.
Doch blickt man sich in deutschen Unternehmen um, sei es die Automobilbranche oder die Finanzwelt, sei es der Energiesektor oder der IT-Bereich, alle leben nur ihre Ziele der vergangenen Jahren statt die Vision der Zukunft.
Mit dem Erkalten der deutschen Wirtschaft zu einem Zeitpunkt, da die Unternehmenskassen noch gefüllt sind, besteht vielleicht die Möglichkeit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Deutschen sind es nicht gewohnt, sich von Spannendem, Interessantem und Neuem so angezogen zu fühlen, dass man mit kleinen Projekten einfach mal startet. Vielmehr warten sie ab, bis sie eine Rechtfertigung dafür haben, dass sie etwas Neues wagen müssen.
Manch ein Unternehmen geht einen Pseudoweg und lässt sich von Start-ups berieseln, ohne die Verantwortung und notwendige Schritte der Weiterentwicklung ernsthaft anzugehen.
Und endlich ist es so weit. Endlich müssen sich die deutschen Unternehmen darüber Gedanken machen, wie sie die Digitalisierung in Unternehmen umsetzen. Endlich müssen sie sich mit den aktuellen Trends unserer Gesellschaft aktiv auseinandersetzen. Sei es die Arbeitswelt 4.0, Künstliche Intelligenz oder auch Altersarmut und Umweltschutz. Und alle Themen in der Mehrdimensionalität betrachtet und nicht nur aus einer Perspektive.
Noch haben wir die Chance aufzuschließen, doch wie lange noch?
Kontinuierliche Weiterentwicklung auch außerhalb der Branche und der eigentlichen Komfortzone kombiniert mit neue Geschäftsfeldern beinhalten nutzenstiftende Lösungen für die neue Zukunft.
Daher gilt es für Unternehmen und Menschen gleichermaßen, wer morgen noch gefragt sein will, muss sich heute die Fragen stellen:
- Welchen Nutzen können unsere/meine Stärken außerhalb des Tellerrands noch leisten? (Adaption von Kompetenzen)
- Welchem gesellschaftlichen Problem nehmen wir uns als Unternehmen an und für welches habe ich als einzelne Person ein besonders hohes Empathieverständnis?
(Echtes Verstehen des Gegenübers) - Wo liegen die Vorteile einer kreativen Weiterentwicklung?
(Weg-von-Ängsten- hinzu Anziehungs-Motivation) - Sind wir bereit die Extrameile zu gehen, mich von meiner Begeisterung führen zu lassen? (Wieder das Bewusstsein für den Leistungsgedanken zum Einsatz bringen)
- Reicht das eigene Wissen im Unternehmen und beim Einzelnen aus, um disruptive Ansätze initiieren zu können?
(Weg von der Know-how-Kultur hin zur Vernetzten-Lösungskomptenz-Kultur)
Und da wir Deutschen immer einen Rechtfertigungsgrund dafür brauchen, wenn wir etwas Neues tun, ist nun die Zeit des sichtbaren Abschwungs der ideale Zeitpunkt, endlich die notwendigen Veränderungen einzuleiten. Denn es warten viele Veränderungen und Entwicklungen auf unsere Gesellschaft - starten wir endlich!